Die Rodenberger Allee in Bad Nenndorf

Im März 1790 wurde der "Schwefelbrunnen Nendorf", wie damals der Kurbereich hieß, als Staatsdomäne ein selbständiger Gutsbezirk. Damit wurde er deutlich von den Dörfern Kleinen Endorf und Großen Endorf getrennt und trug seitdem den Ortsnamen "Nendorf". Die Wegverbindung von Kleinen Endorf nach Großen Endorf bestand bereits seit etlichen Zeiten und hatte besonders als Kirchweg nach Großen Endorf Bedeutung. Entlang dieser Straße lagen die Kleinen und Großen Endorfer Fluren. Das Bad mit den Schwefelquellen und der Esplanade entstand ungefähr auf Höhe der Gemarkungsgrenze beider Dörfer.
Um die auch in Rodenberg logierenden Kurgäste nach Nenndorf zu bringen, ordnete Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, der Gründer des Bades, eine "Diligence" an, ein Kutschen-Transfer, der mehrmals täglich gratis zwischen den beiden Orten fahren sollte. Zur Verschönerung der Straße und um den Passanten eine schattige Reise zu ermöglichen, wurde um 1790 vom Schwefelbrunnen in Nendorf bis zum Kleinen Brunnen in Rodenberg eine Allee aus Linden angepflanzt. Reste dieser Allee finden sich noch heute auf der Strecke Bad Nenndorf-Rodenberg. Diese Bäume sind über 200 Jahre alt!
Rodenberger Alle um 1790
Plan der Badeanlagen Nenndorf und Rodenberg von 1790
Eingetragene Baumalleen entlang des alten Staßenverlaufes über den "Grover Anger" zum "Krater"
Das Stück zwischen dem Kleinen Brunnen in Rodenberg und der Ortseinfahrt von Kleinen Endorf, das zunächst über die alte Wegeverbindung von Grove nach Horsten über den Krater führte, wurde in den folgenden Jahren umgelegt, um die Strecke zu verkürzen. Gleichzeitig erfolgte zu Beginn des 19. Jahrhunderts um 1805 der Bau der Chaussee von Kleinen Endorf nach Beckedorf. Entsprechend der Bedeutung der Verbindungen wurden auch hier Alleebäume entlang der Strecke gepflanzt. Hier kamen weiße Rosskastanien zum Einsatz, die bis Ende des 20. Jahrhunderts auch noch in Resten vorhanden waren. Das letzte Exemplar der Kastanien aus der Bauzeit der Chaussee wurde nach 200 Jahren am Krater gefällt, als die dortige Einmündung nach Horsten Mitte der 90ger Jahre des 20. Jahrhunderts umgebaut wurde.
Verbindung Rodenberg, Bad Nenndorf, 1856
Kurhessische Karte von 1859 (Kartenstand 1856)
Direkte Verbindung Kleiner Brunnen - Nenndorfer Badebezirk
Reste der alten Verbindung über den Krater noch erkennbar
Verbindung Rodenberg, Bad Nenndorf, 1898
Preussische Landesaufnahme von 1898
Durch die Verkoppelung wurden viele Wegeverbindungen aufgelöst
Alleebäume entlang der Verbindung Nenndorf - Rodenberg immer noch vorhanden
Die folgenden historischen Postkartenmotive der Rodenberger Allee zwischen den Ortsteilen Klein Nenndorf und dem Badebezirk dokumentieren eindrucksvoll die stets vorhandenen Alleebäume entlang der Straße. Die rechte Seite zeigt Bilder in der gleichen Aufnahmeperspektive aus der heutigen Zeit. Sie dokumentieren, wie gut der historische Alleecharakter heute noch erhalten ist.
Rodenberger Allee um 1910 mit Linden bepflanzt
Blick entlang der Rodenberger Allee vom Kurpark in Richtung Klein Nenndorf
Postkarte gelaufen 1915, Aufnahme ca. 1910
Rodenberger Allee Vergleich 2006 1910
Die heutige Ansicht der links abgebildeten Postkarte
Die beiden Häuser im Bild links stehen auch noch
Rodenberger Allee um 1940 mit Platanen bepflanzt
Ansicht einer Kurpension am Beginn der Rodenberger Allee in Höhe der
Parkstraße/Deisterweg
Postkarte gelaufen 1941, Aufnahme ca. 1935
Rodenberger Allee Vergleich 2006 1935
Die heutige Ansicht am Beginn der Rodenberger Allee am Ende der Parkstraße
bzw. Einmündung Deisterweg
Der erhaltene Standort der Bäume ist im Vergleich gut zu erkennen
Blick Rodenberger Allee Richtung Kurpark
Ansicht der Rodenberger Allee von Klein Nenndorf aus in Richtung Kurpark
Die Freifläche auf der rechten Seite ist heute Standort des Rathauses
Blick zum Kurpark 2006
Heutiger Blick entlang der Rodenberger Allee in Richtung Kurpark
Links im Bild ist das Haus auf der Postkarte gut zu erkennen
Das Teilstück der Rodenberger Allee in Bad Nenndorf vom Kurpark bis zum Ortsausgang von Klein Nenndorf wurde in der ersten Hälfte des 20. Jh.s mit Platanen bepflanzt. Diese Baumart eignet sich aufgrund ihrer Größe besonders gut für hervortretende Alleen. Mit den trockenen Bodenverhältnissen und der immensen innerörtlichen Bodenversiegelung kommt die Platane bestens zurecht. Urlaubserinnerungen an den mediterranen Süden werden beim Anblick der Bäume wachgerufen. Dort werden die Baumkronen vielerorts beschnitten und sonnenschirmartig gezogen. Die großen Blätter spenden im Sommer Schatten, vor allem Fußgänger profitieren davon. Die durch das Abplatzen der Rinde unterschiedlich gefärbte Oberfläche der Stämme und Äste verleiht dem Baum ein besonderes Aussehen. Zudem fällt das Laub im Herbst trocken zu Boden, und bildet nicht so schnell eine glatte Rutschfalle wie andere Baumarten.
In Bad Nenndorf knüpfen die Platanen an die Bädergeschichte und insbesondere an die Geschichte des Gartenkunstwerkes Kurpark an. Durch die Allee wird der Besucher wie mit einem grünen Band in den Ort geleitet. Bis in die 1970er Jahre führte die Rodenberger Allee geradewegs durch den Kurpark, wo sie in die Hauptstraße überging. Mit dem südlichen Flair, das die Platanen mit sich bringen, stehen sie in guter gartenkünstlerischer Tradition. Auch im Kurpark wurde der Süden im Sonnengarten nachempfunden. Mit dem Tempel, den Wasserbecken und der architektonischen Gestaltung, betont durch den reichen Blumenschmuck, hat der Brunnengärtner Carl Thon zu Beginn des 20. Jh.s Eindrücke seiner Arbeitsaufenthalte in Italien umgesetzt. Der Sonnengarten wurde seitdem zum beliebten Aufenthalts- und Erholungsort der Kurgäste.
Auch heute sprechen Besucher Bad Nenndorfs sich immer wieder sehr positiv darüber aus, dass Bad Nenndorf über die Platanenallee verfügt, durch die sie auf eindrucksvolle Weise in den Ortskern gelenkt werden. Die Platanenallee ist ein wichtiges Element der Gestaltung des Ortsbildes von Bad Nenndorf. Sie bietet den Anwohnern und den Passanten Schatten, der gerade im heißen Sommer 2003 erholsam war. Touristen und andere Gäste werden durch die alte Allee in den Ort geleitet. Schließlich wurde mit der Artauswahl auf die Geschichte Bad Nenndorfs hingewiesen. In diesem Zusammenhang sei Jerôme Bonaparte genannt, der als König Hieronymus von Westfalen seit 1807 mehrfach Sommeraufenthalte in Nendorf verbrachte, und schließlich nach französischem Vorbild die Schlammbäder einführte. Da Platanen auch in Frankreich und dem vorbenannten Süden überhaupt sehr häufig als Straßenbäume vorkommen, ist der Bezug und die historische Bedeutung dieser Bäume in Bad Nenndorf mehr als hergestellt.
Die Platanen sind lebendig gewordene Geschichte des Ortes Bad Nenndorf und sollten unbedingt erhalten werden. In anderen, weitaus größeren Städten werden alte Alleen unter allen Umständen erhalten und sogar unter Schutz gestellt. Gerade Platanen werden bei Neuanlagen verstärkt gepflanzt, wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer kleinklimatischen Ansprüche. Die Platanenallee ist ortsbildprägend für Bad Nenndorf, und es wäre wünschenswert, wenn Bad Nenndorf noch über mehr solcher Straßenführungen verfügen würde. Wenn nichts Historisches erhalten wird, werden spätere Generationen die Geschichte des Ortes nicht mehr nachvollziehen können. Damit würde lokale und regionale Identität verloren gehen. Besonders die Kulturlandschaftselemente, wozu auch die Platanenallee zählt, sind identitätsstiftend. Erholung, Wiedererkennungswert und Ästhetik tragen zum Wohlfühlen der Bewohner bei. Besonders die Rodenberger Allee als Ortseinfahrt und Hauptverkehrsader Bad Nenndorfs erfüllt diese Aspekte.
Auf dem aktuellen Luftbild aus dem Jahr 2002 kann man sehr schön die Alleestruktur in der heutigen Bebauung erkennen. Sichtbar sind auch die noch erhaltenen Reste der Bäume entlang der Strecke in Richtung Rodenberg, südlich der heutigen Bundesstraße B65. Der rote Kreis markiert die Stelle, an der die Rodenberger Allee einen Knick macht, um das historische Siedlungsgebiet von Klein Nenndorf zu umgehen. Rechts daneben ein Ausschnitt der DTK 1:25000.
Luftbild der Rodenberger Allee
Luftbild der Rodenberger Allee (ca. Jahr 2002)
Der Kreis markiert den Knick der Allee um Klein Nenndorf herum
Rodenberger Allee heute
Rodenberger Allee (ca. 1995, DTK 1:25000)
Der Vergleich aller Kartenwerke zeigt deutlich die historische Bedeutung der Allee

Dipl. Ing. Henning Dormann, Dr. Bernd Zimmermann, 03.04.2006
Postkarten: R. Börner; Fotos: B. Zimmermann; Karten, Luftbilder: SchaumburgGis
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